Planung und Bau der 6 Doppelhäuser
zwischen Reinsdorferweg und Neumühlenweg,
an der Straße F, die später den Namen Am Stadtwald bekam.

Lageplan
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Die rechts verlinkten Dokumente entstammen einer Sammlung von Briefen, Anträgen, Skizzen, Rechnungen und Lieferscheinen die den Bau der Siedlung am Stadtrand von Wittenberg wiederspiegeln.
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Der Kaufmann Gustav Schrappe und der Bauunternehmer Ludwig Richter haben das Siedlerprojekt angeschoben. Wobei Gustav Schrappe den kompletten Schriftverkehr übernommen hat. Das Siedlerprojekt war als Arbeitsbeschaffungsprogramm gedacht. Es kamen also nur Familien in Frage, die Arbeitslos bzw. auf Kurzarbeit waren. Sie mussten in irgend einem passenden Gewerk firm sein, damit sie in der Lage waren selber die Häuser mitzubauen. Die Arbeiten wurden als Eigenleistung verrechnet. Des weiteren war ein Garten vorgesehen mit der Möglichkeit der Kleintierhaltung um die Versorgung der Familien mit Nahrung aufzubessern. Der Größte Teil der Baukosten wurden über Darlehn finanziert.
Die ersten beiden erhaltenen Schriftstücke sind vom 30. Mai 1933, einmal an den Oberbürgermeister und des weiteren an das Stadtbauamt Wittenberg. Es gab offensichtlich vor diesen beiden Briefen schon Unterredungen mit dem Oberbürgermeister Herrn Dr. Faber und Magistratsrat Herren Becker bei der ein Erbpachtgelände in Aussicht gestellt wurde.
Als Grundlage für den Bau der Siedlerhäuser wird dem Stadtbauamt mitgeteilt:
"... Die Ausführung der Siedlerhäuser wird von den aufgestellten Siedlern selbst übernommen und sach- und fachgemäß den baupolizeilichen Bestimmungen entsprechend ausgeführt..."
In einem späteren Brief an das Stadtbauamt (13.6.1933) heißt es
"... Bemerken möchte ich noch, daß bei den Siedlern alle gebrauchten Berufe vertreten sind und zwar außer dem bauausführenden Fachmann, ein Tischler, ein Schlosser, ein Installateur, ein Bauarbeiter, drei Maurer sowie auch ein Maler."
Vom 16.6.1933 gibt es einen ersten Kostenvoranschlag gerechnet auf eine Doppelhaushälfte über 3121,92 RM.
Ende Juni schreibt Gustav Schrappe nach Berlin an Ministerpräsidenten Hermann Göring in der Absicht das Projekt zu beschleunigen. Sein Anliegen untermauert er mit den Worten „ ... als Kriegsteilnehmer (Westfrontkämpfer) und Inhaber des eisernen Kreuzes erster und zweiter Klasse, gestatte ich mir im Auftrage der anderen in Frage kommenden Siedler, die fast alle Kriegsteilnehmer sind, mit der Bitte an den Herrn Ministerpräsidenten heranzutreten, beim Regierungsrat Merseburg eine entsprechende Beschleunigung der Angelegenheit herbeizuführen, damit wir evtl. noch vor dem Winter die Siedlungshäuser beziehen können...“
Am 17. Juli gab es eine Eingangsnotiz zurück und es wurde als Eingabe geführt.
Offensichtlich war der Stadt die im Juni eingereichte Kalkulation über 3121,-RM zu teuer und so wurde mit einigen Abstrichen am 13. Juli 1933 eine neue Kalkulation mit 2500,-RM eingereicht.
Es gab offensichtlich die Überlegung in den neu zu erbauenden Häusern gebrauchte bzw. ausgebaute Fenster zu verbauen. Zumindest gibt es ein Kostenangebot über 40 Fenster und 40 Türen vom Abbruch der Sprengstoff Baracken.
Anfang August 33 schreibt Gustav Schrappe gleich zwei Briefe um das Projekt zu beschleunigen; einmal an Herrn Regierungsbaurat Töpler in Merseburg und an die Grundstücksverwaltung  in Wittenberg.
An Töpler schrieb er: „... daß die Angelegenheit Stadtrandsiedlung ... beschleunigt wird, damit die Siedler zu denen auch ich gehöre und in dessen Namen ich Ihnen schreibe, noch bis zum Winter die Häuser beziehen können, denn jeder Tag der Verzögerung bedeutet für uns ein Verlust und eine Enttäuschung...“
Interessant ist die Siedlerliste vom 15. August 1933 aus der hervorgeht, daß alle Siedler Mitglied in der NSDAP bzw. NSBO (Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation) waren und fast alle als Kriegsteilnehmer geführt wurden.
Das waren offensichtlich die Voraussetzungen für das Siedler-Projekt:
- alle sollten in der richtigen Partei sein
-  Kriegsveteranen sein
- und Arbeitslos bzw. auf Kurzarbeit gestellt sein.
Es liegen Bescheinigungen für Kurzarbeit von Artur Reinhold, Max Schrappe, Fritz Winkler und Artur Hildebrandt vor. Wobei wie im Fall Artur Hildebrandt offensichtlich auch 32 Stunden in der Woche als Kurzarbeit gelten.
Offensichtlich hatten auch noch andere Interesse an dem Stück Land. Als Gegenpol ist immer von "Eigenheim" die Rede. Parteipolitik spielte dabei eine große Rolle. Am 21. August 1933 schreibt Schrappe an den Architekten O.Welz.
„... und wie enttäuscht wir wären, wenn sich nun mehr der Plan zerschlagen würde, wenn wir als Nationalsozialisten, aber nicht von denen, die erst seit Januar 1933 der Partei angehören, nun evtl. den Kommunisten von Eigenheim den Platz freimachen müßen...“
Am 15. September schreibt Schrappe an den Arbeitsminister Franz Seldte in Berlin und beschwert sich, daß es mit der Genehmigung des Bauvorhabens so schleppend geht.
Am 19. Oktober gab es eine Antwort aus Merseburg zurück. Offensichtlich waren die eingereichten Unterlagen nicht einwandfrei.
„... Dazu gehört ein einwandfreier Grundriß; der mir anläßlich einer Ortbesichtigung am 10. D. Mts. von Herrn Stadtbaurat Walbe vorgelegte Grundriß ist viel zu aufwendig, als das solche Bauvorhaben mit Reichsmitteln unterstützt werden können...“ 
Im Oktober 1933 wird der „Antrag für die vorstädtische Kleinsiedlung“ gestellt.
Für die sechs Doppelhäuser wird ein Reichsdarlehn über 27.250,-RM beantragt.
Es geht noch daraus hervor:
- es sind 12 Siedler Parteien
- das Land gehört dem Magistrat Wittenberg
- das Grundstück soll landwirtschaftlich genutzt werden
- Grundwasser gibt es ab 4 ½ bis 5 Meter
- eine Parzelle hat 112m² wovon 83,44m² überbaut werden
- Frischwasser gibt es aus dem Brunnen, das Abwasser geht in eine Sickergrube
- zur Zeit der Antragsstellung wird die Erwerbslosigkeit in der betreffenden Gemeinde mit 46% angegeben.
- es wurde eine Bauzeit von 8 bis 10 Wochen veranschlagt
- die Baukosten für eine Parzelle wurde auf 3000,-RM gerechnet. Alles was über 3000,-RM kostet muss begründet werden.
- es wurde pro Siedler ein Reichsdarlehn von 2250,-RM beantragt
- des weiteren soll es ein Darlehn von der Stadtsparkasse über 750,-RM
- eigenes Geld der Siedler war offensichtlich nicht vorgesehen
- aber die Eigenleistung der Siedler wurde mit 400,-RM kalkuliert
- ab dem 4. Jahr nach Einzug hat jeder Siedler 198,10RM für Erbbauzins + Reichsdarlehn + Darlehn Sparkasse zu entrichten
Als Anlage gab es eine Baubeschreibung und eine Siedlerliste die aber immer noch nicht dem Endzustand entspricht. Aber man erfährt wer auf Kurzarbeit und wer Erwerblos ist, wie viele Leute im jeweiligem Haushalt leben und welchen Beruf die Siedler hatten. 
Der Unternehmer Erich Bachmann (Eisen und Röhren Großhandel) hat offensichtlich selber bei der Stadt interveniert, um die Genehmigung für den Bau der Siedlerhäuser zu beschleunigen.
Am 12. Oktober 1933 wird der 
„Antrag auf Gewährung eines Reichsbaudarlehn aus Mitteln der wertschaffenden Arbeitslosenfürsorge zur Errichtung eines Eigenheims“
Exemplarisch hier der vom Bauunternehmer Ludwig Richter gestellt. 
Die Gesamtbaukosten werden auf 3800,-RM veranschlagt.
Die Begründung für die vorzeitige Berücksichtigung: Kriegsbeschädigter
Als Voraussetzung für das Darlehn ist aber scheinbar auch:
"Durch den Ertrag des Gartens etc. ist die Gewähr gegeben, daß tatsächlich eine Erleichterung des Lebensunterhaltes des Bauherrn eintritt."
Auch hier als Anlage wieder eine Siedlerliste.
Es gab innerhalb der Siedlergemeinschaft noch vor Baubeginn schon Unstimmigkeiten , so wie es aus einem Brief von Gustav Schrappe an Artur Hildebrand hervorgeht.
Am 4. November 1933 gibt es immer noch keine Baugenehmigung.
Am 8. Januar 1934 gibt es wiederum eine Absage für einen vorzeitigen Baubeginn vom Magistrat.
Am 13. Januar macht Herr Schrappe noch mal Druck beim Magistrat.
Am 23. Januar schreibt Schrappe das nächste Schreiben an den Magistrat.
Aber es gab offensichtlich auch Stress mit den Anwohnern der Siedlung Eigenheim. Ich vermute es ist die Damaschkesiedlung gemeint, zumindest gab es dort eine Familie Braunschweig. Herr Schrappe beschwert sich beim Magistrat der Stadt Wittenberg, daß ein Anwohner Asche, Lumpen, alte Töpfe, Flaschen und Blechbüchsen abgeladen bzw. vergraben hätte. Interessant finde ich den Satz
„... wenn ihm das Land weiter gehören würde, bestimmt nicht vorgekommen wäre“
Um den 14. Februar 1934 war dann endlich Baubeginn, zumindest gibt es am 7. Februar die erste Auftragsbestätigung an die Dobiener Ziegelwerke über 20.000 Ziegelsteine Term-Ökonom.
Im Juni 34 ist Richtfest. Den ersten Glückwunsch gab es am 7. 6. 1934.
Am 10. September geht Herr Schrappe in die Verteidigung und rechtfertigt sich gegenüber Herrn Stadtbaurat Walbe, daß er sich nicht körperlich am Bau der Siedlungshäuser beteiligt.
Es gibt noch ein Interessantes Detail in diesem Brief. 
Die Stadt wollte offensichtlich Herrn Camin nicht mit siedeln lassen, obwohl sein Haus nun schon zum Teil gebaut war, weil er bei der Stadt 700,-RM Mietschulden hatte. Das  er nicht einziehen sollte, hatte ihm aber noch keiner mitgeteilt.
„... wäre es nicht angebracht, wenn Herr Camin davon in Kenntnis gesetzt würde, damit er sich nicht unnütz abrackert und dann doch kein Haus bekommt.“
Im 16. September 1934 wird über eine Unfallversicherung für die Bauausführenden  nachgedacht. Man will nicht die 6% an die Magdeburger Berufsgenossenschaft zahlen, sondern sich mit 1,5% über die Städteunfallversicherung versichern lassen.
Die Antwort darauf gab es am 12. Oktober.
Ebenfalls im September gibt es eine Kontoprüfung der Geschäftsbücher bei Herrn  Schrappe. Das Ausgabenkonto ergab einen Ausgabenbestand von 16.855,42 R.M.
Ebenfalls wurde ein separates Konto geprüft.
Eingegangene Spenden und Ausgaben für das Richtfest im Juni.
77,-Mk hat's gekostet.
Am 27. Januar 1935 informiert Herr Schrappe den Oberbürgermeister über die Kosten des Siedlerprojektes und die Mehrkosten. Daraus geht hervor, daß das größere Darlehn über 23.520,-RM von der Stadt kam und das Reichsdarlehn 12.600,-RM beträgt. Bis dato sind 25.133,10RM von den 36120,-RM verbaut worden. Wie dann der Mehrverbrauch an Baumaterialien von 7.493,67RM einzuordnen ist, kann ich nicht einordnen.
Einen Tag vor Heilig Abend 1935 hat die Gebrauchsabnahme stattgefunden und es gab den Gebrauchsabnahmeschein des Neubaus an der Strasse F 5.
Reichsbaudarlehn von der Bank Deutsche Bau- und Bodenbank hier exemplarisch an Herrn Max Camin vom Juli 1934 in Höhe über 1050,-RM plus Merkblatt als Anhang.
Im November 1934 wurden neue Richtlinien zur Beleihungsgrenze für Kleinwohnungsbauten ausgegeben. Hier eine Zusammenfassung und (vermutlich) einen Abschrift.
Es wurden auch Löhne gezahlt. Lohnaufstellung für 3 Personen für Oktober, November und Dezember 1934

Alle Dokumente chronologisch (Briefe, Anträge, Rechnungen, Lieferscheine...)
PDF(42MB)
Nur Briefverkehr und Anträge PDF(58MB)
Skizzen (Liegeplan und Grundriss vom Haus) PDF(35MB)

Erweiternde Hintergrundinformationen zur Siedlungspolitik Anfang der 30-er Jahre am Beispiel Jena. Eine PDF im Internet von Rüdiger Stutz mit dem Titel: Das Jenaer Stadtbauamt zwischen Siedlungsboom und Wohnungsnot 1931 bis 1942 PDF